Das Dreistromland
Einige Auszüge aus dem „Aufsatz“ von Hermann Hiltbrunner aus den Brugger Neujahrsblätter von 1950. Dies ist unsere älteste bekannte Namensnennung vom „Dreistromland“. Hermann Hiltbrunner hat damals das Mündungsgebiet von Aare, Reuss und Limmat umwandert und seine Eindrücke bildlich umschrieben.
Da wo auf engstem Raume Aare, Reuss und Limmat sich vereinigen, dürfen wir sagen, dass wir uns im schweizerischen Dreistromland befinden. Dass dieses Wort an das indische Fünfstromland, das Pandschab (Punjab), oder an das alte Zwei-, das Zwischenstromland erinnert und uns Namen wie Mesopotamien, Euphrat und Tigris auf die Zunge legt, das vor unserem geistigen Auge gewaltige Reiche und Monumente aufsteigen, Babylon und Ninive lebendig werden und die Wiege der Menschheit unsere Gedanken fesselt – was verfichts! Grosse Reiche stürzen, grosse Ebenen versteppen, und selbst die grössten Ströme müssen zum Meere hin…
Ich stehe mit einem Male jener Eisenbahnbrücke gegenüber, unter der die Reuss durchfliesst und zur Aare stösst. Eine dreieckige Insel ist dieser Mündung vorgelagert, ein kleines Möweneiland mit Weidengestrüpp auf sonst kahler Kiesbank. Die Aare ändert dicht oberhalb des Reusseinflusses Tempo und Richtung. Ihr Stromstrich erscheint aus der Mitte des Bettes an den rechten Rand verlegt, sie eilt, den Bruderstrom zu empfangen, sie empfängt ihn so stürmisch, dass die Reuss betreten verharrt, nahezu stillsteht und von der vorbeistreichenden Aare einfach an- und aufgesogen wird.
Nach wenigen Minuten komme ich zu einer Brücke, die mich ans rechte Ufer der um die Reuss bereicherten Aare führt. Wiederum weiche ich keinen Schritt von ihrer Seite, bis ich in jenem verborgenen Winkel stehe, wo die Limmat, womöglich noch sang- und klangloser als die Reuss, in die Aare fliest. Aber die Limmat kann sich über diese Wiedervereinigung nur mehr wenige Meter freuen – schon wird sie namenlos in der Aare, die sich ihr kaum noch zuwendet, ihr nur noch einen schwachen Arm hinter einer Waldinsel hindurch entgegenschickt. Eine etwas kühle Begrüssung ein fast beschämender Empfang!
Aber die Aare hat jetzt ihre entscheidende Richtung angetreten: sie fliesst nordhin und beachtet nichts mehr, nicht einmal ihre eigenen Schütt-Inseln, deren sie mehrere gebildet hat. Sie wird nun nie mehr eine andere Richtung einschlagen, sie wird, nach gut einem Dutzend Kilometer Wanderung, den Rhein treffen und ihn stillschweigend, ja höchst alltäglich empfangen – ihn der sich da brüstet, sie zu empfangen! – und wird ihm bis gegen Waldshut ihre eigene Richtung aufzwingen, um sie dann doch an ihn zu verlieren…
Aareschlucht bei Brugg
Die Aareschlucht ist ein Flussdurchbruch der Aare in der Stadt Brugg im Kanton Aargau. In einer 1400 Meter langen und bis zu 15 Meter schmalen Felsrinne durchquert der Fluss die Stadt am Rande des Bruggerberges. Die Schlucht besteht vorwiegend aus harten Malmkalken des Tafeljuras. Trotz ihrer Lage im Brugger Stadtgebiet blieb die Aareschlucht weitgehend unberührt und gilt seit 1996 als Naturdenkmal von nationaler Bedeutung.
Als Tor zur Aareschlucht darf die 1875 errichtete Eisenbahnbrücke der Bözberglinie bezeichnet werden. Unter der Brücke erreicht die Aare mit etwa 10 Metern bereits eine beachtliche Wassertiefe.
In Brugg hat die Aare bereits den Grossteil ihres Weges bis zum Rhein zurückgelegt. Mit einem durchschnittlichen Abfluss von 314 Kubikmeter pro Sekunde gehört sie bereits zu den wasserreichsten Flüssen des Alpenvorlands.
In Brugg lässt sich der Fluss noch in seiner ungezähmten, weitgehend ursprünglichen Gestalt erleben.
Stromab der Eisenbahnbrücke wird der Fluss zunehmend unruhig. Zu beiden Seiten ragen nun Felsformationen ins Wasser, welche zur Entstehung von unberechenbaren Strömungen, Schwällen und Kehrwasser führen.
Zwischen dem alten Elektrizitätswerk und der Brunnenmühle zwängt sich der Fluss in eine schmale, klammähnliche Felsrinne, die sich bis zum Schlucht Ende fortsetzt.
Bereits in römischer Zeit war Brugg – wie der Name bereits andeutet – ein wichtiger Brückenstandort. Der strategisch bedeutsame Übergang an der Engstelle war gut vor Hochwasser geschützt und bescherte der Stadt während Jahrhunderten reiche Brückenzölle. Die heutige Steinbrücke stammt aus dem Jahr 1925 und liegt etwas höher als ihre zahlreichen Vorgängerinnen. Von den ersten Brücken wird übrigens angenommen, dass sie noch aus Holz bestanden.
Am Schlucht Ende folgt die Engstelle am Schwarzen Turm, wo sich die Felsrinne bei tiefem Wasserstand bis auf 11 Meter verengt. Mit einer Wassertiefe von etwa 17 Metern ist die Aare nun tiefer als sie breit ist, was gerade bei einem solch grossen Fluss eindrücklich ist. Wie ein ehemaliger Armeetaucher zu berichten weiss, gibt es dort – entgegen von Gerüchten – keine nennenswerten Unterspülungen.
Als geologische Sensation darf die Tatsache bezeichnet werden, dass ein solch wasserreicher Fluss seit Jahrtausenden eine derart schmale Felsrinne benutzt. Wie und warum selbige entstanden ist, liegt allerdings noch weitgehend im Dunkeln.
Im ersten Szenario wird davon ausgegangen, dass die Schlucht gegen Ende oder nach der letzten Eiszeit durch Flusserosion eingesägt wurde. Vor etwa 17’000 Jahren – als in der Nordschweiz die letzte Eiszeit endete – begannen die Flüsse damit, Teile dieser Schotter wieder abzutransportieren. Dabei geriet die Aare irgendwann auf den anstehenden Fels und begann sich von oben her in diesen einzuschneiden.
Weit spektakulärer ist das zweite Szenario, bei dem angenommen wird, dass die Schlucht vor über 150’000 Jahren, während der Beringen-Eiszeit unter dem Gletschereis entstand. Im Raum Brugg betrug die Mächtigkeit des Eises wohl zeitweise bis zu 200 Meter.
Das Wasserschloss und der Limmatspitz
Im Mündungsgebiet von Aare, Reuss und Limmat bildet das aargauische Dreistromland — das Wasserschloss.
Der Limmatspitz liegt im Zentrum des Wasserschlosses. Hier fliesst innerhalb von 700 Meter fast die Hälfte des Wassers der Schweiz zusammen, das schlussendlich via Aare, dann über den Rhein die Schweiz verlässt.
Ab hier vereinigt die Aare Wasser aus 19 Kantonen oder ca. 45 % der gesamten abfliessenden Wassermenge der Schweiz und fliesst acht Kilometer weiter unten bei Koblenz/Felsenau in den Rhein.
Der Limmatspitz ist ein fünf Hektaren grosses, für die Öffentlichkeit zugängliches, Auengebiet. Hier bietet sich ein Zwischenhalt an. Ihr Tourenleiter orientiert sie über die Örtlichkeit, die neu geschaffenen Auen, die geologischen Gegebenheiten aus der Urzeit und die sichtbaren Spuren der Industrialisierung in dieser Gegend.
Mit Flussfahrten Aargau fahren wir diesen einmaligen Ort je nach Destination und Buchung von der Aare, Reuss oder sogar von der Limmat her an.
Das Gnadental
Das ehemalige Kloster Gnadenthal befindet sich rund zwei Kilometer nördlich des Dorfzentrums Niederwil am Ufer der Reuss. Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts lebten die Frauen der Gemeinschaft nach den Regeln des Zisterzienserordens, die Inkorporation erfolgte 1394. Plünderungen durch Berner und Zürcher Truppen nach dem zweiten Villmergerkrieg von 1712 schwächten es zudem. Trotz wirtschaftlich andauernd schlechter Lage muss der klösterliche Geist im Konvent sehr lebensfreudig gewesen sein. Auch gehörten die Gnadenthaler Werke aus der Paramentenstickerei zum Besten, was in den Klöstern der Deutschschweiz um 1700 geschaffen wurde. Die Gemeinschaft zählte zu Blütezeiten um die 30 Chor- und Laienschwestern.
Die Abtei bestand bis zum Aargauer Klosterstreit im Jahr 1841 und nochmals von 1843 bis 1876. Nach einer vorübergehenden Nutzung als Tabak- und Zigarrenfabrik ist im Kloster seit 1894 eine Pflegeanstalt eingerichtet, die durch moderne Gebäude ergänzt wurde und sich heute «Reusspark – Zentrum für Pflege und Betreuung» nennt.
Der Flussabschnitt der Reuss um die Gegend Gnadental ist der Höhepunkt jeder Reuss Fahrt. Hier blieb der urtümliche Charakter der wilden Reuss Landschaft bis heute erhalten. Die letzte Eiszeit hat da ihre Spuren hinterlassen. Der Reuss Gletscher transportierte Granitbrocken von der Gotthard Reuss und Nagelfluh Felsen aus der Gegend im Kanton Schwyz bis hierher. Eindrücklich sind die Nagelfluh Felsformationen, die dem geschickten Reuss Fahrer Gelegenheit geben sein fahrerisches Können unter Beweis zu stellen.
Die 2015 und 2016 neu gebaute Brücke fügt sich elegant in die Landschaft ein.